Plastikwelten – made in China

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Wer kauft schon gern die Katze im Sack? Immer wenn wir eine Figur vorbestellen, treffen wir unsere Entscheidung nach Besichtigung der Preview-Bilder. Im Kleingedruckten der Hersteller heißt es dabei immer, dass das finale Produkt, etwas von den gezeigten Bildern abweichen kann. Uns bleibt dann nichts anderes übrig, als zu hoffen, dass die Abweichungen vom gezeigten Prototyp nicht zu gewaltig sind. Aber es gibt gerade in der letzten Zeit leider häufiger Fälle, wo man beim besten Willen nicht sagen kann. What you see is what you get.

Beschäftigen wir uns also einmal mit der Produktion unserer geliebten Figuren. Doch blicken wir zunächst mal zurück. 1:6 Figuren kamen als Spielzeug in diese Welt. Zunächst dominierten Militärfiguren den Markt. Filmfiguren gab es am Anfang nicht gerade viel und wir freuten uns über Lookalikes, wenn eine Dragon Figur eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Schauspieler hatte und wir glaubten in einem Head Sculpt Kirk Douglas zu entdecken. Nach und nach gab es dann auch lizenzierte Filmfiguren TV- und Comichelden. Am Anfang war das alles Spielzeug und man zahlte auch Spielzeugpreise. Wir waren damals ganz happy, wenn zumindest etwas Ähnlichkeit da war, wenn auch unsere Phantasie da sicher einiges ergänzte.

Lookalikes: Kirk Douglas (Dragon), Sean Connery (Dragon), Clark Gable (bbi), Sean Connery (Dragon), Jean Reno (Dragon), Robert De Niro (bbi)

Irgendwann wurden aus Toys dann Collectibles. Die Qualität hat sich seit diesen frühen Tagen deutlich verbessert, aber parallel dazu hat sich auch der Preis vervielfacht. Ob die hohen Preise gerechtfertigt sind und in direkter Proportion zur Qualität stehen, darüber kann man sicherlich trefflich streiten. Fakt ist aber , dass man bei einem bestimmten Preis als Sammler auch eine entsprechende Qualität erwartet.

Bei Herstellern wie Hot Toys sind Preise aber auch die Qualität (Gummiteile mal ausgenommen) seit dem Bestehen des Herstellers stets gestiegen. Leider orientieren sich die anderen Label preislich gerne am Platzhirsch Hot Toys, freilich oft ohne dieselbe Qualität zu bringen.

Aber verweilen wir noch einen Moment in der Vergangenheit. In der Zeit vor dem Internet waren Printmagazine die wichtigste Informationsquelle über Neuheiten und wir kauften in unserem örtlichen Comicshop und auf Comic- und Filmbörsen. Wir brauchten damals also keine großartigen Previews, weil wir die Figuren live in Augenschein nehmen konnten.

Den Leuten hinter den Figuren konnte man damals fast ausnahmslos attestieren, dass sie ihr Sujet liebten und einen gewissen Geekfaktor hatten. Es bedurfte schon einer gewissen popkulturellen Prägung und nerdiger Disposition, um in dieser Branche zu landen.

Natürlich kann man es keinem Hersteller verübeln, dass er Geld verdienen will und ich will auch keinem seine Geekhaftigkeit absprechen, aber wenn Hersteller wie Threezero jeden Monat eine neue Lizenz aus den unterschiedlichsten Themenkreisen einsammeln, liegt der Verdacht schon nahe, dass das sehr viel mit Gewinnstreben und eher wenig mit der Liebe zum jeweiligen Thema zu tun hat.

Am Anfang war die Zahl der Produzenten von Actionfiguren noch sehr überschaubar. Heute treffen wir mehr als hundert Brands an.

Früher glaubte ich, dass alle Hersteller auch wirklich Figuren herstellen, aber das ist natürlich nur eine Illusion.

Viele Label bestehen oft nur aus einer einzigen Person. Der Begriff Hersteller ist von daher etwas irreführend, denn die wenigsten Label stellen auch selber etwas her. Sie sind eigentlich so was wie Projektmanager die sich ihre Leute für die Realisation suchen und dann eine oder mehrere Produktionsstätten mit der Herstellung der Einzelteile beauftragen.

Auch die etwas größeren Label bestehen oft nur aus einer Hand voll Leute und arbeiten mit wechselnden Freelancern zusammen.

Je kleiner ein Label ist, desto unwahrscheinlicher ist es, dass sie sich um Lizenzen für ihre Figuren bemühen. Das ist noch ein anderes Thema. Gehen wir mal davon aus, sie haben wie etwa Threezero oder Star Ace Lizenzen akquiriert.

Am Anfang stehen dann ein paar Design Entscheidungen. So muss z.B bei Figuren zu TV Serien entschieden werden, auf welche Season sie sich beziehen und welches Kostüm sie tragen sollen, denn Charaktere wie Rick Grimes haben sich im Laufe der Serie natürlich sehr verändert. Erste Kostümentwürfe zeigten noch die Sheriff Uniform aus Season 1.

Da es, warum auch immer, drei Jahre dauerte bis die Rick Grimes Figur endlich erschien, entschied man sich bei Threezero letztlich für ein etwas aktuelleres Outfit und Look des Charakters. Manchmal spielen dabei wohl auch wirtschaftliche Faktoren eine Rolle. Cersei Lannister hat ihre Kurzhaarfrisur und ein Kostüm aus Season 7. Damit passt sie natürlich nicht wirklich zu ihren Geschwistern, Jaime aus Season 1 und Tyrion aus Season 2. Aber es ist selbstredend viel billiger einen Kopf mit kurzen modellierten Haaren als einen mit gerooteter Frisur zu produzieren.

Hail to the Prototype!

Sind alle Entscheidungen getroffen ist das nächste Ziel die Herstellung eines Prototyps. Ein Künstler, entweder aus der hauseigenen Designabteilung oder auch ein Freelancer wird mit der Umsetzung eines Head Sculps verpflichtet. Dieser kann am Rechner in einem 3D Programm entstehen oder ganz klassisch von Hand modelliert werden. Andere Departments arbeiten an Kostüm und Zubehör. Der Prototyp der Figur hat einen enorm hohen Stellenwert, denn einerseits dient er dazu, dass der Lizenzgeber die Figur abnickt. Auf der anderen Seite startet mit den Bildern des Prototypen der Vorverkauf.

Auch wenn am Ende alles gut sein soll, ist es in erster Linie der Head Sculpt, der über den Erfolg und Verkauf einer Figur entscheidet. So wird dann für den Paintjob ein talentierter Künstler gebucht in sehr vielen Fällen wird das in Südkorea erledigt.

The Preorder Biz

Der fertige Prototyp stellt die Grundlage für die Vermarktung über Preorders dar. Preorders sind in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. Von manchen vorgestellten Figuren hört man nie wieder was. Oft liegt es daran, dass die Preorderzahl zu gering war und es sich deshalb einfach nicht lohnte, die Figur zu produzieren. (Manche Zulieferer z.B. im Bereich Kostüm fordern eine gewisse Mindestabnahmemenge. Was tut man mit 500 oder 1000 Outfits, wenn nur 100 Figuren vorbestellt wurden) Auch richten manche Firmen die Stückzahl an der Höhe der vorbestellten Figuren aus. Als Fan ist man dann schon fast gezwungen, das Preorder Spiel mitzuspielen, denn will man erst mal In-Hand Fotos abwarten, kann es auch schnell mal passieren, dass eine Figur schon bei Erscheinen vergriffen ist. Weg ist sie und man zahlt noch mehr Kohle auf dem zweiten Markt.

Mit den Preordern verdienen die Label auch schon Geld, dass dann in die Produktion von dieser oder anderen Figuren gesteckt werden kann. Sinkt die Zahl der Preorders, kann es schon mal eng werden und die Firmen versuchen Geld einzusparen.

Die Produktion

Wie schon erwähnt besitzen die wenigsten Brands eine eigene Fabrik. Ausnahmen sind DiD die neben den eigenen Figuren auch für andere Hersteller wie z.B. Hasbro arbeiten. Nach eigenem Bekunden hat Asmus Toys mittlerweile eine eigene Produktion.

Eine 1:6 Figur setzt sich aus einer Reihe vom Komponenten zusammen

  • Kopf
  • Körper
  • Kostüm
  • Zubehör
  • Verpackung

Der Kopf und diverse Zubehörteile müssen bemalt werden. Zuweilen müssen auch Metallteile hergestellt werden. Kostüme müssen geschneidert und gegebenenfalls bedruckt werden. Am Ende müssen alle Komponenten montiert werden und Figur und Zubehör müssen verpackt werden. All das geschieht in den meisten Fällen in Hongkongs Nachbarstadt Shenzhen.

Asmus Toys Produktion

Es gibt eine große Fabrik mit hunderten Arbeitern, hier ist Hot Toys einer der großen Auftraggeber und ob der Produktionsmenge natürlich der bevorzugte Kunde.
Die meisten anderen Produktionsstätten (etwa 10-20) sind kleiner mit etwa 30 bis 50 Beschäftigten. Oft decken sie nur einen bestimmten Aspekt des Produktionsprozesses ab und  sind spezialisiert auf Kleidung, Plastikteile. Körper oder Metallteile. Dann gibt es noch eine Vielzahl Kleinbetriebe mit einer Handvoll Mitarbeiter.

Es kommt also häufig vor, dass an einer Figur letztlich eine ganze Reihe von Betrieben beteiligt sind. Natürlich geht es auch immer um Geld und darum möglichst kostengünstig zu produzieren und möglichst maximale Gewinnspannen zu erzielen. Wenn vieles aus unterschiedlichen Quellen kommt, kann es natürlich auch vorkommen, dass nicht immer alles perfekt zueinander passt. Der Hautton des Kopfes harmoniert nicht ganz mit der Farbe des Körpers. Dieser wurde vielleicht in letzter Minute gewechselt, weil ein Anbieter billiger war, leider sind jetzt vielleicht auch die Kostüme eine Spur zu weit oder zu eng.

Reputation ist alles

Zuweilen entsteht der Eindruck, dass für manche Anbieter mit dem Prototypen alles erledigt ist. Danach scheinen sie das Interesse an den Figuren zu verlieren, das Geschäft ist ja bereits gemacht und Qualitätsmanagement kostet ja nur unnötig Geld.

Eine gefährliche Haltung. Denn am Ende dreht sich alles um die Reputation. Wie viele schlechte und überteuerte Figuren sind die Sammler bereit zu akzeptieren, bevor sie sich ganz von diesem Label abwenden?

Einzig und allein Hot Toys hat es geschafft, sich als Hersteller eine solide und loyale Fanbase aufzubauen. Man liest in Facebookgruppen und Foren immer mal wieder den Satz „Ich bin Hot Toys Fan.“ Aber bezeichnet sich auch jemand als Threezero oder Star Ace Fan? Man ist vielleicht Fan von Harry Potter oder The Walking Dead oder Game of Thrones, aber nicht zwingend auch von den Herstellern, die im Besitz der Figuren-Lizenzen sind. Was Hot Toys von vielen anderen Brands unterscheidet, ist Qualitätsmanagement. Wenn eine Figur produziert wird, verbringt der koreanische Artdirektor viel Zeit in der Fabrik in Shenzhen, um den Produktionsprozess zu überwachen. So unterscheidet sich das finale Produkt nicht maßgeblich und in einem akzeptablen Rahmen von den Prototypbildern.

Bei anderen Herstellern ist die Diskrepanz wesentlich größer. Bei Threezero unterschied sich der Kopf von Daenerys Targarian schon sehr von den Prototyp Bildern.
Auch Star Ace ist ein gutes Beispiel für diese Diskrepanz. Die Firma ist ein Ableger des in Osaka beheimateten Spielzeug Produzenten X-Plus. Der Anfang der Harry Potter Serie war recht vielversprechend. Harry, Ron und Hermine als Kids sahen wirklich klasse aus. Star Ace ließ zunächst primär in einer Fabrik produzieren die zuvor viel für Hot Toys gearbeitet hatte. Das war wahrscheinlich nicht ganz billig und so entschied man sich vor nicht allzu langer Zeit für einen billigeren Anbieter und sparte vor allem an den Paintjobs, natürlich bei beibehaltenen Preisen für die Endkunden. Die letzten Figuren Teenager Ron und Hermine und Artemisia ernteten allenthalben schlechte Reviews. Artemisia sieht aus wie Lokis lange verschollen geglaubter Halbbruder aber nicht wie Eva Green.

Bilder: Michael Crawford

Wie viele Ausfälle ist man als Fan bereit hinzunehmen? Einen lässt man sicher durchgehen. Aber nach dem zweiten wird man langsam vorsichtig. Und viele sagen sich. Ich werde nix mehr vorbestellen von diesem Hersteller. Ich warte erst mal die ersten In-Hand Fotos ab. Da das immer mehr Sammler machen, sinkt auch die Gefahr, dass die Figur schon in der Preorder Phase ausverkauft ist.

Das heißt natürlich für die Label auch, dass sie auf Dauer immer weniger Geld über Preorders einnehmen. Sie bekommen so unter Umständen ein echtes Cashflow Problem. Es kommt zu erheblichen Verzögerungen in der Produktionszeit und eigentlich wäre es jetzt erst recht nötig Geld in die Hand zu nehmen und auf eine gute Qualität zu setzen. Und manche Figur kommt vielleicht nicht einmal in die Produktion.

The Great Preorder Swindle?

Die Diskrepanz zwischen Previewbildern und dem finalen Produkt kann auch den Herstellern selbst nicht verborgen bleiben. Wenn die Kommunikation mit den Sammlern dann auch noch so aussieht, das kritische Kommentare gelöscht werden, Fragen unbeantwortet bleiben oder immer nur die immer gleichen nichtssagenden Phrasen mit Copy and Paste eingefügt werden, fühlt sich so mancher Sammler für dumm verkauft. Denn es gibt ja auch Hersteller die sich ernsthaft mit Kritik auseinandersetzten und sich bemühen ihre Produkte zu verbessern.

Einen unschönen Ausreißer gab es zuletzt bei VTS und der Figur Wasteland Ranger, einer nicht lizenzierten Furiosa Figur zum Film Mad Max Fury Road. Die Figur ist für sich genommen ganz hübsch geworden, aber natürlich setzt man sie mit Charlize Theron in Beziehung und die ist als ehemaliges Model nun mal richtig groß, und mit 1hren 1,77 m sogar noch 2 cm größer als Tom Hardy. Die fertige Figur sieht dann auch eher aus wie Eleven aus Stranger Things.

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In Hand Bild auf Facebook, Fotograf ?

Was ist da passiert? Zuletzt hatte VTS die weibliche Figur Tracy in der Dark Zone Serie gemacht. Eine sehr kleine Figur. Der Einfachheit halber griff man also auf den Tracy Körper zurück. Für eine Freestyle Figur wäre das kein Problem, aber natürlich setzt man sie in Beziehung mit Furiosa und dafür ist sie dann einfach viel zu klein. Hinter VTS verbirgt sich Damtoys, ein Hersteller mit einem ganz guten Standing. Deshalb werten wir die Zwergen Furiosa jetzt mal als einmaligen Ausrutscher und hoffen mal, dass VTS aus dieser Schlappe lernen und ihnen nicht noch mal so ein Fauxpas unterläuft.

Hopfen und Malz verloren ist allerdings bei Molecule8 und der John Lennon Figur. Meine Güte was hatte M8 das Maul weit aufgerissen. Da war von einem revolutionary new approach in 1:6 die Rede. Ein vollkommen neues Endoskelett und was sonst noch alles passieren sollte. Die ersten Bilder vom Head Sculpt, der von der Künstlerin Kyung-ah Kim sahen noch sehr viel versprechend aus, vermarktet wurde die Figur als HighEnd Figur die hierzulande für fast 400 Euro in die Preorder Phase ging. Herausgekommen ist dann leider eine 150 Euro Figur. Der Erbsen-Kopf wirkt in Relation zum Körper zu klein auch der Paintjob ist bestenfalls Mittelmaß. Auf Kommentare zum Hemd, dass eine andere Farbe hat, schlechter sitzt und einfach billiger aussieht, wollte sich der Hersteller damit raus reden, dass das am Licht läge. Komisch dass das Licht auch die Knöpfe gleich viel größer macht.

32837753_598965037140088_4875490928451649536_oUnseren Recherchen zur Folge verbirgt sich hinter Molecule8 der selbsternannte 1:6 Experte Brian Lo (ACI, Pangaea). Wir möchten gar keine böse Absicht unterstellen, vielleicht war das alles mal ganz anders gedacht und unterschätzte Kosten und zu geringe Preorderzahlen ließen das Projekt scheitern. Wir gehen stark davon aus, dass das die letzte Figur unter dem Label Molecule8 war. Aber beim nächsten Projekt klebt man dann einfach ein anderes Label drauf. All die neuen Hersteller in der Szene von Hongkong und Shenzhen fallen ja nicht einfach vom Himmel und man kann fast immer davon ausgehen, dass der neue Brand nur ein neuer Name ist oder eine neue Zusammenarbeit von Einzeltätern aus der Szene oder ein Projekt, dass man aus Gründen der Risikominimierung nicht unter der eigenen Hausmarke veröffentlicht.

Es wird sicher spannend sein, zu beobachten, wohin die Reise geht. Wird sich das Angebot zurecht schrumpfen. Werden sich einige Hersteller wieder stärker auf Qualität besinnen? Die Preise sind hoch, somit aber auch die Ansprüche. Da wird nicht viel verziehen. Wer nur blendet mit tollen Bildern von Prototypen und glaubt, die Sammler mit minderwertigen Paintjobs verarschen zu können, wird über kurz oder lang in der Versenkung verschwinden.


Nachtrag:

Threezero’s neuster Streich.
tz-major

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