Klaus Störtebeker – Director’s Cut

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Heidi Witt, die Gewinnerrin des AFD Wettbewerbs 2015 hat uns einen Artikel zu den Hintergründen und zum Bau ihrer Figur geschrieben. Also Heidi, erzähl uns etwas über deinen Scharfrichter.

Eine Idee entsteht

Da schlittert man unverhofft in ein neues Hobby (ich habe erst 2014 angefangen mit diesem Maßstab zu arbeiten) und sieht sich gleich zu Anfang einem Wettbewerb gegenüber gestellt (AFD-Figurenwettbewerb 2015). Also gilt es, eine gute Idee zu entwickeln. Eine etwas morbide Freundin meinte lapidar: „Mach doch einen Henker!“. Super Idee! Es sollte aber schon ein besonderer Henker sein! Und so entstand der Gedanke, die Hinrichtung des Klaus Störtebeker darzustellen.

Im Fokus steht natürlich Scharfrichter Rosenfeld, Störtebeker selber bleibt leider auf eine Nebenrolle reduziert…

Quelle: British Library. Hinrichtungen, aus einer Handschrift des späten 14. Jahrhunderts der Chroniques de France (Royal 20 C. VII fol. 133v).
Quelle: British Library. Hinrichtungen, aus einer Handschrift des späten 14. Jahrhunderts der Chroniques de France (Royal 20 C. VII fol. 133v).

Zeitgenössische Abbildungen von Störtebeker (+ 1401) bzw. seiner Hinrichtung gibt es leider nicht, daher musste ich improvisieren. Die Vorlagenzeichnung zeigt eine Hinrichtung aus etwa der betreffenden Zeit. Der Scharfrichter ist die auf dem Boden liegende Person (er wurde nach Ausführung seines Amtes vom Schlag getroffen…). Entgegen der Abbildung wurden Enthauptungen allerdings vorwiegend mit dem Schwert ausgeführt, zumindest bei „VIP’s“.

 

Scharfrichter Rosenfeld

Für diesen Herrn habe ich mich an mehreren Figuren aus der Vorlagenzeichnung orientiert. Die Kleidung entspricht der zeitgenössischen Mode einfacher Leute: „Mann“ trug keine Hose, sondern enge „Beinlinge“ (=Strümpfe, die mit Bändern an einer Unterhose befestigt wurden)

stoertebeker-kostuem2ein einfaches Unterhemd aus Leinen, darüber folgt eine einfache Tunika (=hemdähnliches Gewand) als Oberbekleidung.

stoertebeker-kostuem1Da Henker zu den Randgruppen der Gesellschaft gehörten, ist dieser Vertreter seiner Zunft recht ärmlich gekleidet und schon reichlich abgerissen. Es gab durchaus auch wohlhabende Scharfrichter, aber diese Variante fand ich spannender! Die komplette Kleidung ist nach historischen Schnittmustern handgenäht. Die Schuhe sind ebenfalls Eigenbauten aus dünnem Hirschleder. Entsprechende Alterungsspuren und „Blutflecke“ durften natürlich jeweils nicht fehlen. Einige Verschmutzungen entstanden aus Tee bzw. Pulverkaffee, auch Acrylfarbe und Pastellkreide kamen zum Einsatz.

Ihr vermisst die typische Henkersmaske? Im der betreffenden Zeit gab es so etwas nicht, solche Masken kamen erst sehr viel später in Mode! Stattdessen trägt Rosenfeld eine sog. Gugel, eine typische Kopfbedeckung dieser Zeit. Sie kann entweder als Kapuze getragen werden oder aufgerollt als eine Art Hut (im Vorlagenbild sieht man beide Tragevarianten).

stoertebeker-SW10 stoertebeker-SW07Details:
Am Bein trägt der Henker ein (voll funktionsfähiges!) Schellenband, damit ehrbare Bürger rechtzeitig von seiner Anwesenheit erfahren und ihn meiden können (Lederband mit Mini-Schellen, gealtert mit Ölfarbe). Manche Henker trugen auch eine Klapper oder Glocke bei sich.

stoertebeker-SW01Typisch für diese Zeit waren Gürteltaschen mit dahinter getragenem Dolch. Der Dolch stammt von Ignite, die Tasche ist aus sehr dünnem Echtleder gefertigt.

stoertebeker-kostuem3Das Schwert ist leider der einzige Kompromiss, den ich machen musste (und der mir immer noch weh tut). Korrekt wäre hier ein Richtschwert gewesen: die Klinge ist breiter und kürzer als beim normalen Schwert, die Spitze abgerundet. Häufig finden sich auf der Klinge eingravierte Sinnsprüche. Ein Beispiel: „Wan ich das Schwert thue aufheben wünsch ich dem Sünder das Ewig Leben“. Leider war kein Schwert zu finden, das auch nur annähernd diesen Vorgaben entsprochen hätte. Schlussendlich gewann ein Brieföffner das Casting, er passt zumindest vom Stil her einigermaßen in die Zeit (wenn auch nur mit einem zugekniffenen Auge und als „normale“ Waffe).

stoertebeker-SW12Körper und Kopf der Figur sind einfache Handelsware. Beim Kopf gefiel mir besonders der Gesichtsausdruck, er weist eine gewisse melancholische Gleichgültigkeit auf. Ich wollte keinen klischeehaften „Brutalo“, sondern eher einen, der einfach wertungsfrei seiner Arbeit nachgeht. Die Frisur des Kopfes gefiel mir sehr gut und sollte beibehalten werden. Um einen realistischeren Eindruck zu erhalten, habe ich die Plastikaare mit Echthaar überklebt.

stoertebeker-SW11Zur Verwendung von Echthaar:
Normalerweise sollte man bestehende Plastikhaare möglichst entfernen (abschneiden/abschleifen) und danach eine glatte Kopfform rekonstruieren. So erhält man eine gute Basis für die echten Haare. In diesem Fall waren die Originalhaare sehr dünn und ich habe einfach die Echthaare darüber geklebt. Hier muss man individuell entscheiden.

 

Störtebeker
Der Störtebeker-Kopf ist angelehnt an eine Rekonstruktion nach einem Schädelfund vom „Grasbrook“, der Hamburger Richtstätte. Ob der Schädel Störtebeker tatsächlich gehört hat, ist allerdings fraglich und wird in Fachkreisen kontrovers diskutiert.

Als Basis diente ein handelsüblicher Kopf aus meinem Fundus. Um den Halsansatz etwas „ausgefranst“ erscheinen zu lassen, habe ich den unteren Rand erhitzt und entsprechend „verbeult“. Die farbliche Gestaltung erfolgte mit Acryl und Pastell. Das blaue Auge stammt nicht von der Hinrichtung, die Kerkerwachen hatten wohl kein sehr freundschaftliches Verhältnis zu Störtebeker…

stoertebeker-kopf1Die Haare (auch der Bart) sind wie beim Scharfrichter aus Ziegenmohair. Dieses Mohair ist ideal, ich kenne kein anderes Material, mit dem sich Haare ähnlich realistisch darstellen lassen. Damit der Henker den Kopf halten kann, wurden mehrere Haarsträhnen mit der Hand fest verklebt. Praktischerweise bleibt so auch die Hand auswechselbar und der Henker kann in anderen Posen dargestellt werden.

stoertebeker-kopf2Das Ziegenmohair gibt es hier.

Außerdem finden sich dort auch wunderbare Kleinteile wie Gürtelschnallen oder Silberbeschläge, die sich ganz hervorragend für unsere Zwecke eignen! Reinschauen und stöbern lohnt sich!

 

Die Base

Als Grundgerüst diente eine einfache Holzplatte aus dem Fundus. Darauf kam eine Schicht „Paper Clay“, eine lufttrocknende Modelliermasse, die ähnliche Konsistenz hat wie eine Mischung aus Ton und Pappmaché. Paper Clay ist einfach in der Handhabung und lässt sich mit etwas Wasser sehr gut verarbeiten. In die noch feuchte Masse habe ich Pflastersteine aus dem Krippenbedarf gedrückt. Die Mauer rundum entstand nach dem gleichen Prinzip, wobei das Paper Clay auch als Mörtel diente. Leider hält die Masse die Steine nicht immer zuverlässig fest, einige Teile mussten mit Bastelkleber nachgebessert werden. Die farbige Gestaltung erfolgte mit Pastellfarben, der Bewuchs stammt aus dem Modellbahnzubehör.

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Fotos

Da sich meine fotografischen Kenntnisse auf einfaches Knipsen beschränken, bot sich netterweise ein guter Freund an, mir beim Ablichten zu helfen. Im Gegensatz zu mir hat er eine gescheite Fotoausrüstung und entsprechendes Wissen. Schätze, das Ergebnis kann sich sehen lassen. Lieber Reiner, an dieser Stelle ganz herzlichen Dank für deine freundliche Unterstützung! Wer mehr aus dieser Werkstatt sehen möchte: http://www.reiner-albrecht.de/

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